Philosophische Texte sind nicht auf Grundaussagen reduzierbar. Sie sind nie nur Beantwortungen einer bestimmten Frage, sondern weisen immer auch aus sich hinaus, stellen Zusammenhänge und Bezüge her und vermitteln komplexe Sinngehalte. Die Art, wie spezifische Probleme konstruiert werden, wie sich die Begriffe zueinander und die Sprache zur Sache verhält, ist der Philosophie wesentlich; es geht also nie nur um das Was, sondern immer auch um das Wie, die Form, durch die hindurch etwas vermittelt wird. Das macht es dem nicht philosophisch geschulten Leser mitunter schwer, einen Zugang zu finden. Theodor W. Adorno’s sehr dichter Text „Der Essay als Form“ beschäftigt sich explizit mit der Frage der Form und deren Beziehung zu dem von ihr vermittelten Gegenstand, und ist zugleich selbst ein Beispiel dafür, wie die Darstellung einer Idee mit deren Form verflochten ist. Um ihn zu verstehen, gilt es, bestimmte Elemente seiner Philosophie zu entfalten: Was ist mit dem „Vorrang des Objektes“ gemeint? Gegen was zielt Adorno’s Kritik am Positivismus und am „Jargon der Eigentlichkeit“? Wie konstruiert er das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst zur Wahrheit? Was heißt kritische Theorie, und was immanente Kritik? Wie kann man Form selbst als „sedimentierten Inhalt“ denken?
In diesem Lektürekurs werden wir uns intensiv diesem sehr dichten Text auseinandersetzen. Dabei geht es nicht nur darum, eine Einführung in das Lesen komplexer philosophischer Schriften im Allgemeinen und in Adorno’s Philosophie im Besonderen zu geben, sondern auch gemeinsam dessen Bedeutung für das Kunstfeld herauszuarbeiten.

Ort: Raum 229, Güntzstraße

Wie ist Realität künstlerisch oder begrifflich zu erfassen? Wie verhält sich Kunst zu der Wirklichkeit, die sie darstellt, auszudrücken versucht oder problematisiert? "Die Lage wird dadurch so kompliziert, dass weniger denn je eine einfache ‚Wiedergabe der Realität‘ etwas über die Realität aussagt.“, schrieb Bertold Brecht bereits 1931. „Eine Photographie der Krupp-Werke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute. Die eigentliche Realität ist in die Funktionale gerutscht. Die Verdinglichung der menschlichen Beziehungen, also etwa die Fabrik, gibt die letzteren nicht mehr heraus. Es ist also tatsächlich "etwas aufzubauen", etwas "Künstliches", etwas "Gestelltes"." Wenn Realität nicht als ein Gegebenes, ein Unmittelbares, einfach Abzubildendes verstanden werden kann, kann Kunst kein bloßes Mittel zur Wiedergabe sein, ohne sich der Ideologie des Bestehenden zu verschreiben und damit ihren Kunstcharakter einzubüßen (Adorno und Horkheimer). Dies gilt in besonderer Weise für den Dokumentarfilm, der durch seine explizite Nähe zu der Realität, die er zu fassen sucht, implizite Vorstellungen über die Struktur der Wirklichkeit vermittelt. Denn obwohl die konkrete materielle und historische Realität dem Dokumentarfilm bestimmte Bedingungen und Grenzen auferlegt, handelt es sich bei der Wirklichkeit, die er thematisiert, um ein umstrittenes, unsicheres, konfliktgeladenes Feld, in dem sich heterogene Wahrnehmungs-, Erfassungs-, und Sinngebungsweisen miteinander verschränken und gegenseitig herausfordern. Wie das Verhältnis zwischen dem Faktischen, dem historischen Gewordensein der Gesellschaft und den vielfältigen Vermittlungen, durch die ein Gegenstand, ein Detail, eine Situation oder ein Ereignis eine Bedeutung erlangt, erfasst wird - solche Fragen werden im Dokumentarfilm immer auf die eine oder andere Weise implizit aufgeworfen. Er bildet also nicht nur eine gegebene Wirklichkeit ab, sondern formt auch eine bestimmte Wahrnehmung, die darin enthaltene "Verteilung des Sinnlichen" (Rancière), die Verhältnisse zwischen der objektiven Welt und ihrer subjektiven und sozialen Vermittlung sowie die inhärente Struktur der in der Gesellschaft herrschenden Normen und Werte.

In dieser Veranstaltung werden wir das Verhältnis zwischen Wirklichkeitsbegriff, Wahrnehmung und Kunst, insbesondere Dokumentarfilmen, anhand kunsttheoretischer und philosophischer Ansätze untersuchen. Betrachtet werden unter anderem die "Expressionismus-Debatte", in der Brecht und Lukacs über den künstlerischen Realismus diskutierten, Adorno und Horkeimer's Kritik an der Kulturindustrie, Trinh T. Min-ha's postkoloniale Kritik an szientistischen, ethnologischen und kommerziellen Dokumentarfilmen, Jacques Rancière's emanzipatorisches Verständnis von Film und Judith Butler's Theorie des frame, des Rahmens, durch den Realität nicht nur erfasst, sondern auch produziert wird.

Ort: Raum 228, Güntzstraße

Talking about crises, often in a sensationalist way, has become an almost banal habit. Crises hit the environment, the global economy, the question of migration, politics or human relations, but also identities (both on an individual and collective level), authorities, representation or the body. Likewise, critique is a "sociable art", as Walter Benjamin wrote as early as 1928. Criticizing media, politics, institutions, personal behavior or cultural products - often in the form of denouncing fraud, misconduct, bias or injustice - has become a common cultural practice that permeates the public sphere through and through. But what exactly do we mean when we speak of crisis, what exactly is critique, and how do they relate to each other?
Both concepts are rooted in the ancient Greek verb κρίνω (krinō): to decide, separate, distinguish, recognise, judge or dispute. Philosophically speaking, crisis denotes an objective situation in which "new 'causes' [...] disturb the existing equilibrium" (Valéry), while critique, its subjective counterpart, “is not a matter of saying that things are not right as they are”, as Michel Foucault put it in an interview with Didier Eribon. “It is a matter of pointing out on what kinds of assumptions, what kinds of familiar, unchallenged, unconsidered modes of thought the practices that we accept rest. […] Practicing criticism is a matter of making facile gestures difficult.”
How can we think the interrelations of both concepts in our contemporary reality? What does the current omnipresence of allegedly critical attitudes do to critique as a philosophical approach for the sake of emancipation, or to artworks with critical ambitions? How can art challenge clichéd representations of crisis so as to subvert gridlocked perceptions and open up new ways of understanding? Which forms of critique have been absorbed by capitalism, the culture industry, and consensual politics? And what kind of forms of critique – if any – elude instrumentalization and allow for a radical problematization? Throughout this seminar, we will attempt to carve out the meaning of this conceptual couple and to question its contemporary performative potential.
A comprehensive reader will be provided at the beginning of the semester.

Für individuelle Ateliergespräche, Diskussionen zu philosophischen Fragestellungen oder der eigenen künstlerischen und theoretischen Arbeit stehe ich Studierenden aller Fächer und Semester gerne zur Verfügung. Bitten melden Sie sich im Voraus per Email an (stefanie.baumann@gmail.com).

Students of all subjects and semesters are welcome to contact me for individual studio talks, discussions on philosophical questions or your own artistic and theoretical work. Please register by email in advance (stefanie.baumann@gmail.com).

Konsultation/Ateliergespräch, wöchentlich, 2-stündig

Dienstags, 15:30-17:00 Uhr

Lehrende: Dr. Stefanie Baumann


In jedem künstlerischen Prozess ergeben sich Fragen, deren philosophische Diskussion vor den Werken zur Klärung der weiteren kreativen Entwicklung beitragen kann. Zugleich führt eine solche philosophische Auseinandersetzung im Atelier zu weiterreichenden Aufschlüssen über den (eigenen) Kunstbegriff und zur Selbstverortung der eigenen künstlerischen Position. Das Nach­denken und die gemeinsame Diskussion über Strukturen der Kreativität, den Begriff des „Neuen“, über die künstlerische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und „Weisen der Welterzeugung“ findet in kleineren Gruppen (ca. 3 bis 10 Studierende) und in der Anbindung an die aktuellen künst­lerischen Arbeiten statt. In den Projekten der Studierenden von Bühnen- und Kostümbild und Theaterdesign, deren Semesterthemen in der szenischen Ausstattung bestimmter Bühnenwerke oder in Raumentwürfen zu übergreifenden Fragekomplexen besteht, bildet deren philosophische Erörterung den Schwerpunkt. In der Restaurierung stehen hauptsächlich terminologische, interpretatorische und ethische Fragestellungen zur Diskussion. Die Initiative zu den Gesprächen geht von den Studierenden (und/oder Lehrenden) aus; Ort und Zeit werden zu Semesterbeginn festgelegt.

Studierende oder Lehrende, die mit ihren Klassen oder Projektgruppen an diesen Angeboten Interesse haben, werden wegen der der Terminplanung darum gebeten, sich zu Semesterbeginn per e-mail zu melden <peres[@]hfbk-dresden.de>!

Ort nach Vereinbarung
Zeit nach Vereinbarung
Anmeldung per e-mail <peres[@]hfbk-dresden.de>

Lehrende: Prof. Dr. Constanze Peres em.

Während Metaphern in sprachlichen Kontexten bereits intensiv erforscht worden sind, werden ihre bildlichen Repräsentationen häufig vernachlässigt. In dieser Veranstaltung soll der Funktion der Metapher beim Sehen alltäglicher Gegenstände und bildlicher Darstellungen im Zusammenhang mit metaphorischem Denken nachgegangen werden. Elementare symbolische Prozesse, wie das „Sehen als“, das von Ludwig Wittgenstein oder auch von Nelson Goodman analysiert worden ist, stellen wichtige Werkzeuge zum Verständnis visueller Metaphern dar. Im Seminar werden also zunächst grundlegende zeichentheoretische Beziehungen besprochen und im Weiteren in der Anwendung auf Kunstwerke erprobt werden. Im Anschluss wird die Frage zu diskutieren sein, inwieweit einerseits unser Denken von Metaphern bestimmt ist und wie andererseits bildnerische und literarische Produkte als Ausdruck metaphorischen Denkens zu verstehen sind.

Teilnahmebedingung ist die regelmäßige und aktive Beteiligung an den Seminarsitzungen durch vorbereitende Lektüre der angegebenen Texte für jede Sitzung, durch Diskussionsbeiträge und ein Referat mit Thesenpapier. Neben dem Einstieg in die philosophischen Problemstellungen soll das selbstständige Erarbeiten und Präsentieren eines Sachbeitrags sowie das Argumentieren in Diskussionen eingeübt werden.

Die Textgrundlage bildet ein Reader, der als PDF-Datei an die angemeldeten TeilnehmerInnen verschickt wird.

Die Referate werden ausschließlich in der ersten Sitzung vergeben.

Seminar, wöchentlich, 2-stündig

ORT:          Güntzstraße 34, Raum 229
ZEIT:          dienstags, 15:30 – 17:00Uhr
BEGINN:   04.04.2023

Module: Fakultät I (Bildende Kunst) 4, 8; Fakultät II (BüKo alt) 5,8; (BüKo neu) 2, 5; (FHS TA) T2, T3; (TD) T3